Das Design
Der Hive ist ein vollständiger Computer mit selbst entwickelter Hard- und Software. Die Basis bilden drei Mikrocontroller P8X32A “Propeller” der Firma Parallax mit einer minimalistischen externen Beschaltung. Was ist der Hive also? Ein Retrocomputer? Ein Multicorerechner? Eine Bestie? Alle diese Antworten sind nicht wirklich befriedigend.
Schauen wir uns einfach mal den Retroaspekt an: Das Gerät orientiert sich im Design nur bei ganz bestimmten Punkten an den alten Geräten die wir unter „Retro“ einordnen, verwendet nicht die alten Schaltungen oder bildet alte Hardware nach. Aber dennoch fühlt er sich in seiner Direktheit an wie eines der alten Systeme. Dazu trägt sicher auch sein einfaches und flaches Design bei: Zwischen der Hardware und der realisierbaren Software befinden sich nicht endlos viele abstrakte Ebenen, die es erst zu verstehen gilt. Wenige Zeilen Code bringen erstaunliche Ergebnisse, obgleich man ganz nah an der Hardware hantiert. Das kennen wir aus den Anfängen der Computerkultur. Man muß sich nur bewußt machen wie die Realität heut aussieht: Du hast keine Vorstellung mehr, was in deinem Computer abläuft, in welchem Systemdschungel sich Viren einnisten, oder in welcher der abertausend Registryeinträge eine falsche Einstellung einen Fehler verursacht? Ist diese Komplexität nötig, oder ist es mehr ein Mittel, um dem Benutzer die Kontrolle über das System aus der Hand zu nehmen und ihn zu einem phantasielosen Konsumenten zu machen?
Was also ist der Hive? Ich nenne ihn einen Retro Style Computer, weil es ein Versuch ist, die guten Seiten der alten Technik zu übernehmen und sie in eine neue Hardware, sowie ein einfaches Design zu steckt, und das alles aus einem Grund: um mit den alten Ideen und den neuen Möglichkeiten zu experimentieren. Mit den Retro-Homecomputern konnte man damals experimentell ein Prozessorsystem verstehen lernen, konnte ergründen, wie CPU, RAM, ROM und IO zusammenwirkt. Man konnte einen 8Bitter ohne Probleme selbst zusammenlöten und direkt in der Hardware agieren. Mit dem Hive kann man nun ebenso einfach zusätzlich mit der Parallelverarbeitung experimentieren, kann lernen, wie einfach es ist, Aufgaben auf mehrere Prozessoren zu verteilen und auch welche Probleme es dabei gibt. Mit der Programmiersprache Spin oder in Forth ist das so einfach wie mit dem ROM-Basic der alten Retros. Dabei gibt es keinen Anspruch auf Perfektion und kein Leistungsdenken – der Hive ist ein Outsider und Grenzgänger, und als Besitzer und Schöpfer geniesse ich das Privileg der gestalterischen Freiheit – ganz im Gegensatz zum beherrschenden Mainstream. Alle Informationen über den Hive sind frei zugänglich, die Hardware ist minimalistisch und jeder Interessierte kann sie selbst aufbauen und verstehen.
Wie schon geschrieben, ist der Hive kein Clone von einem bestehenden System und prinzipiell sind ihm an einigen Stellen deutliche Grenzen gesetzt. Aber als Kit mit einem Preis deutlich unter 100 €, mit der Möglichkeit wirklich das gesamte Gerät selbst von Hand ganz physisch aufzubauen, zu testen, zu verstehen (Und es ist wirklich einfach!) und in einer einfachen Sprache zu programmieren, ist der Hive sowohl ein guter Einstieg, wie auch durch seine besonderen Möglichkeiten eine Herausforderung. Mit welchem Bausatz kann man denn in so einfacher und vergnüglicher Weise in die Multi-Core-Technik einsteigen?
Auf der einen Seite ist es also ein kleiner Blick in die Zukunft, auf der anderen Seite ist es ein Blick zurück zu den Anfängen der Computertechnik – zum Ursprung. Und was die Grenzen betrifft, so gilt es, diese durch Kreativität zu ersetzen. Oder um es aus einer anderen Perspektive zu sehen: viele wunderbare Gedichte und Geschichten wurden einzig in der minimalistischen Einfachheit der Leere eines unbeschriebenen Blattes geboren. Alles Fertige und Komplexe stört in diesen Moment – der ewige Ruf nach Leistung und Steigerung tötet das Wesentliche und die Kreativität. Drei gleiche Chips und ein wenig mehr müssen genügen… 😉 Und letztlich ist das Gerät genau so in einer vergnüglichen Bastelwoche – just for fun – und ganz ohne große Anstrengungen entstanden: Artikel – Wie alles anfing
Viele Interessierte hatten Lust auf ein solches Retro-Abenteuer: Eine erste Platinenversion wurde entwickelt und eine Sammelbestellung organisiert. Insgesamt über 200 unbestückte Leiterplatten wurden bei Firmen in Auftrag gegeben und in alle Welt versendet. Mit einem solchen Kit war der Aufbau im Gegensatz zur ersten Version auf Lochrasterplatine zu einem Kinderspiel mutiert – für viele Hive-Erbauer war das Gerät der Erstkontakt mit Lötkolben und Messgerät und der im Selbstversuch erbrachte Beweis für das versprochene „Küchentischdesign“. Jeder kann ein solches Gerät bauen, verstehen und auch programmieren!
Aber zurück zum schnöden technischen Design: Was seine Struktur betrifft, erweitert der Hive genau das, was Chip Grace mit dem Propeller-Chip genial vorgedacht hat: Wie acht gleichartige Elemente kombiniert einen universellen Chip bilden, so bildet der Hive eine Ganzheit aus drei dieser gleichartigen Schaltkreisen. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Lerne mit einem Chip umzugehen und du verstehst das ganze Gerät. Einfachheit ist hier das Prinzip. Jedes Teil ist in sich geschlossen, einzeln testbar. Einzig die Funktionskomplexe differenzieren das Ganze.
Die wesentlichen Prämissen beim Entwurf des Gerätes kann man also in folgenden Ideen zusammenfassen:
Einfacher und sicherer Aufbau: Dazu gehört die Verwendung von einfach zu beschaffenden und zu verarbeitenden Bauelementen. Damit verbieten sich alle Komponenten, welche ausschließlich in SMD-Gehäusen geliefert werden. Der Hive besitzt also ein “Küchentisch-Design”: Bei vorhandener Leiterplatte sollte es fast Jedem ohne Probleme möglich sein das Gerät in wenigen Stunden auf dem “Küchentisch” nachzubauen. Alle Bauelemente, bis hin zum Gehäuse und zur Tastatur, sollten aus leicht zugänglichen Quellen beschaffbar sein. Mit der nun verfügbaren Leiterplatte wird der Aufbau zu einem echten Erlebnis, Lötfehler sind selbst bei ungeübten Lötern durch den Stopplack kaum noch möglich.
Ein entscheidender Punkt im Design des Hive ist aber der enorm kurze Zyklus zwischen Aufbau, Test und Experiment. Selbst wenn man erst anfängt den Hive aufzubauen, kann man schon nach kurzer Zeit mit dem System experimentieren. In der Bildergalerie „Prototyp 2 Aufbau“ zum Aufbau des zweiten Prototypen habe ich versucht das ein wenig zu dokumentieren: Nach kürzester Zeit konnte ich mit einem kleinen Programmschnipsel für Bellatrix die Heartbeat-LED blinken lassen. Acht weitere Widerstände und eine Buchse (Lötzeit 15 Min) später konnte ich das erste Bild auf einem VGA darstellen. Bei jedem dieser Schritte kann man schon hemmungslos mit dem System experimentieren, hat von Anfang an einen funktionierenden und „lebenden“ Experimentierbaukasten, der durch seine Offenheit und Einfachheit zum Spielen einlädt. Und so setzt sich der gesamte Aufbau fort. Wo bei anderen Systemen erst eine relativ große Schwelle bis zum ersten Erfolg zu überwinden ist, wartet beim Hive nach jedem kleinen Aufbauschritt neue Entdeckungen. Und wenn man nach dem Aufbau stolz sein Hive auf den Tisch stellt, hat man quasi nebenbei einen Crashkurs in vielen relevanten technischen Bereichen hinter sich, kennt sich schon bestens mit dem System aus und kann sofort mit den folgenden Abenteuern beginnen.
Einfache Programmierung: Das Betriebssystem TriOS basiert auf der Sprache SPIN, hat eine sehr einfache Struktur und ist gut für Einsteiger geeignet. Mit dem integrierten PropForth ist eine Programmiersprache mit Compiler und Interpreter sofort nach dem Einschalten verfügbar. Und wer mag kann auch ohne Probleme ein völlig eigenes Betriebssystem entwickeln, eigene Vorstellungen verwirklichen oder einfach nur experimentieren. Fühl dich frei: Von der blanken Hardware bis zu einem eigenen OS stehen nur wenige Stunden Arbeit!
Lernen durch Selbstmachen: Alle Komponenten – sowohl die Hardware als auch die Software – sollten für jeden Interessierten durchschaubar und selbst nachbaubar sein. Dennoch läßt das System genug Möglichkeiten und Freiheiten für eigene Experimente. Spaß an der Freude ist ein erklärtes Ziel und ist der Grund aus dem der Hive entstanden ist. Durch einen modularen Erweiterungsbus kann jeder das System erweitern, und da sowohl die Hardware wie auch die Software keine Geheimnisse hat, sollte das auch für jeden möglich sein.
Modularität und Erweiterbarkeit: Die Hauptplatine bietet einen Erweiterungsbus und es so möglich, ein kompaktes und kleines, oder auch ein modulares Gerät als Steckkartensystem aufzubauen. Alle Schnittstellen sind konsequent an der Rückfront erreichbar, LED’s an der Vorderfront und das SD-Slot ist seitlich angeordnet oder per Pinheader extern an jeder beliebigen Stelle realisierbar.
Hier einige Beispielbilder für ein modulares Steckkartensystem, eine einzelne aufgesteckte und externe Sepia-Erweiterungskarte. Zudem ein zweites Modulgehäuse als magnetisch arretiertes Stapelgehäuse mit dem CPMputer: